Nicht alle meine Blogeinträge sind in gleichem Masse interessant. Das weiss ich natürlich auch. Dieser Eintrag ist zwar lang, aber er ist mir sehr wichtig und am Ende (für mich) auch berührend. Unseren Serviceaufenthalt in Iowa City beenden wir Mitte Nachmittag. Die Stadt scheint uns zu mögen, sie vergiesst nochmals kräftig Tränen (mit Blitz und Donner), als wir Richtung Nordwesten Fahrt aufnehmen. Wir wollen nur noch etwa 30 km vor die Stadt fahren und campieren, bis am nächsten Tag endlich beständigeres Wetter einkehren soll. Dann passiert tatsächlich, mit was wir schon ein wenig gerechnet haben. Es geht langsam auf das verheissungsvolle «Memorial» Wochenende zu. Soweit ich weiss, kennen die US-Bürger nur drei Feiertage, an denen die meisten Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe geschlossen bleiben: Memorial Day, Labour Day und Weihnachten. Und was machen die paar Millionen US-Bürger am liebsten, wenn es denn schon mal ein verlängertes Wochenende gibt? Boot, Grill, Töff, Kanu, ATV, Velo, mindestens fünf Kühlboxen, zwei Stromgeneratoren und einen Kleinwagen in und hinters RV (Megawohnmobil) packen und auf einen Camping fahren. Da hat es dann schnell mal für uns, die keine Reservation haben – wir wissen ja nie genau wo wir landen, also keine Reservation möglich – keinen Platz mehr. Viele Worte von mir um zu sagen: Der Platz ist voll und eine Alternative gibt es nicht in der Nähe. Wir parken also auf einem Platz bei der Einfahrt zum State Park Campground und hoffen – da es schon etwa 18h ist und die Parkverwaltung schon Feierabend hat – dass uns niemand vertreibt. Aber nix da: Ein Parkranger mit kugelsicherer Weste und Kanone taucht auf und sagt uns, dass wir hier nicht bleiben können. In Anbetracht des speziellen Wochenendes gibt er uns freundlich den Tipp, wir sollen auf die nahe gelegene Autobahn und dann auf dem nicht mehr so nahe gelegenen Lastwagen-Rastplatz campieren. Genauso freundlich bedanken wir uns für den guten Tipp, fahren dann aber in die entgegengesetzte Richtung davon. Nicht allzu weit haben wir auf der Karte einen Parkplatz im Wald entdeckt, der mit Trailhead (Ausgangspunkt für Wanderungen) markiert ist. Abends wandert da wahrscheinlich niemand, also los. Wir finden die Waldeinfahrt, doch schon nach 50 Metern versperrt uns ein umgestürzter Baum den Weg. Anhand der noch immer kräftigen Blättern des Baumes entnehme ich, dass er wohl erst beim eben abgezogenen Gewitter gefallen ist. Vielleicht ganz gut, waren wir nicht schon zwei Stunden früher da. Sonst wären wir jetzt dahinter gefangen. Wir bleiben also vor dem Baum stehen und verbringen eine ruhige Nacht. Am nächsten Morgen wollen wir im nahegelegenen Dorf Amana noch einen Kaffee trinken und die zwischenzeitlich eingetroffenen Laborwerte (mit WiFi) übermitteln, bevor ich losradle. Wir staunen nicht schlecht, dass im ausserordentlich schmucken Dorf die meisten Schilder in deutscher Sprache sind. Restaurant, Bäckerei, Hausmaus, Festhalle und Brotstube. Es macht fast etwas den Eindruck, im deutsch-französischen Elsass zu sein. Im Restaurant bei Kaffee und kräftigem Frühstück (begleitet von leiser Marschmusik aus den Lautsprechern) googeln wir, was denn das alles soll. Germany-Disneyland oder ähnlich? Wir staunen nicht schlecht. Im 18. Jahrhundert ist eine Gruppe aus dem deutsch-französischen Gebiet aus- und hier in Iowa eingewandert. Hier haben sie mehrere Dörfer gegründet und über lange Zeit ziemlich isoliert gelebt. Es bestanden (z.T. noch immer) parallelen zu den Amischen. Jedoch lehnten die Amana den technischen Fortschritt nicht ab. Speziell war auch, dass sie über lange Zeit keinen persönlichen Besitz kannten. Alles wurde gemeinsam erwirtschaftet und gehörte demzufolge auch der Gemeinschaft. Wen das weiter interessiert, kann jetzt selber googeln. Ich schwang mich dann endlich aufs Velo und fühlte mich zum ersten Mal auf dieser Reise so ziemlich sorglos und vollkommen angekommen in meinem Abenteuer: Endlich sind die Temperaturen angenehm, endlich scheint die Sonne, endlich haben wir alle technischen und organisatorischen «Herausforderungen» gelöst. Die Wetterbedingungen sind so gut, dass ich jetzt gar schneller vorwärts komme als geplant. 120 km pro Tag sind kein Einzelfall. Dafür gönnen wir uns in De Moines, der Hauptstadt von Iowa, einen Tag Pause und schauen uns – natürlich mit dem Velo – ein bisschen in der Stadt um. Der Umstand, dass dies grad am Memorial Day-Sonntag ist, kommt uns zugute. Es hat kaum Menschen in der Stadt, es scheinen alle ausgeflogen zu sein - eben, zu den Campgrounds vermutlich. Sehr eindrücklich fallen mir (uns) die - in jedem noch so kleinen Kaff und jetzt speziell in De Moines - allgegenwärtigen kleinen und grossen Gedenkstätten für die amerikanischen Soldaten auf, welche im 2. Weltkrieg ums Leben gekommen sind. Grösstenteils Jungs, kaum älter als 20 Jahre. Natürlich weiss jeder, dass der 2. Weltkrieg viele Opfer forderte. Aber so wirklich hautnah präsent ist das der aktuellen Generation vermutlich nicht mehr. Ich fahre durch ein Kaff mit vielleicht 200 Einwohnern, und da steht eine Tafel für die in Europa gefallenen Jungs aus diesem Dorf. Und so geht das die ganze Zeit. In De Moines sehe ich eine Karte, wo überall die Amis landen und «aufräumen» mussten. Und nochmals erwähnt: Die Landung in der Normandie kennen wir alle, aber dass die Nazis noch in ganz Nordafrika, Italien oder Frankreich beseitigt werden mussten, ist wohl nicht gleichermassen im Bewusstsein. Die Front war flächenmässig so gross wie die USA selber. Und damit ist der Pazifikraum noch nicht mal eingerechnet. Damals kannte wohl wirklich jeder Amerikaner persönlich einen gefallenen Nachbarn oder Freund. Gefallen in einem Krieg auf einem anderen Kontinent. Sie haben uns damals von dem Nazi-Grössenwahn befreit. Es gibt ja schon so einiges, was ich an (vielen) Amerikanern oder dem System nicht mag. Aber ich spüre Gefühle der Dankbarkeit in mir, wenn ich an den Gedenkstätten stehe und die Fotos der jungen Kerle sehe. Die Amerikaner selber gedenken allen Kriegsgefallenen (1. und 2. Weltkrieg, Vietnam, Korea, Afghanistan, Bürgerkrieg etc) genau an diesem Memorial Day mit vielen Paraden, Fahnen, Zeremonien und Böller-Schüssen.
Not all my blog entries are equally interesting. I know that, too, of course.
This entry is long, but belongs to the more interesting entries and in the end (for me) also touching.
We finish our service stay in Iowa City in the middle of the afternoon. The city seems to like us, shedding tears again (with thunder and lightning) as we head northwest. We only want to drive about 30 km and camp, until the next day finally more consistent weather should come. Then happens actually, with what we have already reckoned a little. It goes slowly towards the promising "Memorial" weekend. As far as I know, the U.S. citizens know only three holidays on which most businesses and service providers remain closed: Memorial Day, Labor Day and Christmas. And what do the few million U.S. citizens prefer to do when there is a long weekend? Packing a boat, grill, motorcycle, canoe, ATV, bike, at least five coolers, two power generators and a small car into and behind the RV and going camping. Then, for those who have no reservation - like us - as we never know exactly where we land, so no reservation possible - no more place. Many words from me to say: The place is full and there is no alternative nearby. So we park on a place at the entrance to the State Park Campground and hope - since it is already about 6 p.m. and the park administration has already closing time - that nobody sends us away. But, oh gosh: A park ranger with bulletproof vest and gun appears and tells us that we cannot stay here. Considering the special weekend, he kindly gives us the advise to move to the nearby highway and then camp at the truck rest area, which is not so close anymore. Just as friendly we thank him for the good advise and drive away in the opposite direction. Not too far away we have discovered a parking lot in the forest on google, which is marked with Trailhead (starting point for hikes). In the evening probably nobody hikes there, so off we go. We find the forest entrance, but after only 50 meters a fallen tree blocks our way. Based on the still strong leaves of the tree, I conclude that it must have fallen during the thunderstorm that has just passed. Maybe it's a good thing we weren't there two hours earlier. Otherwise we would be trapped behind it now. So we stay in front of the tree and spend a quiet night.
The next morning, we want to have a coffee in the nearby village of Amana and transmit the lab results to my doctor that have arrived in the meantime (with WiFi) before I start cycling. We are not badly surprised that in the extraordinarily neat village most signs are in German. Restaurant, Baeckerei, Haus Maus, Festhalle and Brotstube. It almost gives the impression of being in the German-French Alsace.
In the restaurant over coffee and a hearty breakfast (accompanied by soft marching music from the speakers), we google what all this is about. Germany-Disneyland or similar? We are amazed. In the 18th century, a group emigrated from the German-French area and settled here in Iowa. Here they founded several villages and lived quite isolated for a long time. There were (partly still) parallels to the Amish. However, the Amana did not reject technical progress. It was also special that they did not know any personal property for a long time. Everything was earned together and therefore belonged to the community. If you are interested in this, you can google it yourself.
I finally got on my bike and for the first time on this trip I felt quite carefree and completely arrived in my adventure: Finally the temperatures are pleasant, finally the sun is shining, finally we have solved all technical and organizational "challenges".
The weather conditions are so good that I am now even moving faster than planned. 120 km per day are not an isolated case. Therefore we allow ourselves a day break in De Moines, the capital of Iowa, and have a look around the city - of course by bike. The fact that this is Memorial Day Sunday is to our advantage. There are hardly any people in the city, it seems that everyone has flown out - just, to the campgrounds probably.
Very impressive to me (us) are the - in every little town and now especially in De Moines - ubiquitous small and large memorials for the American soldiers who died in World War II. Mostly boys, hardly older than 20 years. Of course, everyone knows that the World War II claimed many victims. But the current generation is probably not really aware of it. I drive through a village with maybe 200 inhabitants, and there is a plaque for the boys from this village who died in Europe. And it goes on like that all the time. In De Moines I see a map where the Yanks had to land and "clean up". And mentioned again, we all know about the Normandy landings (D-Day), but the fact that the Nazis still had to be cleaned up all over North Africa, Italy or France is probably not equally well understood. The front was as large in area as the USA itself. And this does not even include the Pacific region. At that time, probably every American knew personally a fallen neighbor or friend. Fallen in a war on another continent. They freed us from the Nazi megalomania back then. There are some things I don't like about (many) Americans or the system. But I feel feelings of gratitude inside me when I stand at the memorials and see the photos of the young guys.
The Americans themselves commemorate all war dead (WW1, WW2, Vietnam, Korea, Afghanistan, Civil War etc) exactly on this Memorial Day with many parades, flags, ceremonies and salut shots.
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